Montag, 18. Februar 2013

Bangkok - mittendrin

Wenn schon Thailand, so dachten wir, dann müssen wir uns mittenrein stürzen. Mittenrein in die Tempel und unter die Rucksacktouristen sowieso. Wen interessiert das schon, dass die einer anderen Generation angehören, wir haben uns doch so gut gehalten!

Also mieteten wir uns in Bangkok auf der berühmten Kao San Road ein, im Backpacker-Mekka, gleich nebenan bei den wichtigsten Tempeln. Mit Schwimmbad auf dem Dach und auch sonst allerlei Komfort, versteht sich. Sich unter die Rucksacktouristen zu mischen, muss schließlich nicht gleich bedeuten, dass wir genauso spartanisch leben wie die.

Diese Wahl erwies sich im Nachhinein als ein wenig leichtsinnig, denn die Rucksacktouristen in Malaysia und Indonesien sind offenbar nur deswegen so ruhig und entspannt, weil sie sich von ihren wilden Partys in Thailand erholen müssen. Die Techno-Beats aus dem benachbarten Club brachten unser Bett jede Nacht bis mindestens sechs Uhr zum Beben. Zum Glück waren wir von der Reise und unserem Tempelmarathon derart erschöpft, dass wir trotzdem gut schlafen konnten. Im Übrigen hat von Technobeats verursachtes Bettruckeln durchaus etwas Gleichmäßiges und Beruhigendes, wie Wiegen in der Wiege eben. Das muss man sich unbedingt merken für den Fall, dass die unaufhaltsam hochschiessenden Immobilienpreise in Berlin einen eines Tages dazu zwingen sollten, über dem Weekend Club einzuziehen.

Ein bisschen enttäuscht waren wir anfänglich dann aber doch davon, wie gleichgültig, ja geradezu blasiert die Thailänder unseren Besuch aufnahmen. Aus Indonesien sind wir es gewohnt, regelmäßig unsere Spaziergänge zu unterbrechen, um huldvoll jubelnden Schulkindern zuzuwinken, die auf der Ladefläche von Lastwagen und Pick-up-Trucks an uns vorbei transportiert werden. Ich musste  regelmäßig für Fotos posieren gemeinsam mit Flitterwöchlern, die den Daheimgebliebenen offenbar demonstrieren wollten, welche exotischen Begegnungen man an den heimischen Buddha- und Hindutempeln machen kann, und der Schatz konnte sich der schrill kreischenden Teenager, die ihn berühren und fotografieren wollten, kaum noch erwehren. Im Kampung, einer Art städtischen Dorfgemeinschaft mit winzigen Häusern und verwinkelten Straßen, brachen die Kinder beim Anblick des Schatzes in ein begeistertes "Mister Bean, Mister Bean"-Gebrüll aus.

Und in Bangkok - Nichts! Kein Winken, kein Hupen, nicht einmal ein müdes "Hallo" oder ein "Welcome". Als wenn wir gar nicht da wären. Die Thais haben einfach alles schon gesehem - GIs, Sextouristen Amphetamin-konsumierende Backpacker auf der Suche nach dem besten Techno-Club der Stadt, alles. Die kann nichts Westliches mehr in Begeisterung versetzen.

Ungeachtet des entäuschenden Verzichts auf den gewohnten und liebgewonnen Starstatus ist Bangkok eine brodelnde, asiatische Stadt so wie wir sie lieben: funkelnagelneue Hochhäuser und blitzblanke Shoppingmalls einerseits, andererseits verwinkelte kleine Märkte, auf denen bizarre Waren feilgeboten werden - diesmal haben es uns die Amulette besonders angetan - und Siedlungen aus Pfahlbauten mit fernsehender Großmutter in  rümpelkammerartigem Wohnzimmer oder wahlweise einem kleinen Laden, in dem zur Straße hin vollständig offenem Erdgeschosszimmer. Zwischen den Pfahlbauten Altäre über Altäre. Heilloses Verkehrschaos und mittendrin überall kleine Garküchen, in denen die Bangkoker und ihre Besucher auf Plastikmobiliar entweder in einem garagenartigen Raum oder direkt am Straßenrand anscheinend vollkommen ungerührt von Lärm und Abgasen rund um die Uhr die herrlichsten thailändischen oder chinesischen Köstlichkeiten verzehren - in Chinatown das Ganze selbstverständlich unter einem Meer von roten Lampions.

Auch der Große Palast und die Tempel von Bangkok haben uns sehr gefallen. Diesmal bekam der Schatz zwar leider keinen kleidsamen Sarong angeboten, um seine nackten Waden zu bedecken, sondern musste eine graue Trainingshose für fettleibige amerikanische Herren über seine Calenberger Halblangen ziehen, weswegen ich auch keine Fotos von ihm an den Tempeln machen durfte. Dafür lernten wir eine Menge, zum Beispiel, dass die Thais ihre Stupas -  hügelförmige, oben meist spitz zulaufende Denkmäler, die sie hier Chedis nennen -  am liebsten mit Goldblatt verzieren, während man die von Chinesen gestifteten Bauten an ihrer kunstvollen Blumenornamentik aus Porzellan erkennt. Auch dass man sich dem thailändischen König nur auf dem Boden kriechend nähern durfte und einem der Kopf abgeschlagen wurde, wenn man ihn versehentlich ansah, wissen wir jetzt.

Solcherart aufgetankt mit neuem Wissen, Eindrücken und kulinarischen Garküchenabenteuern sind wir nun bereit,  die thailändischen Trauminseln zu stürmen.






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